Artikelserie – Grundlagen des Yoga

Teil 5: Pranayama

(Autor: Fabian Scharsach)

Pranayama bedeutet Meisterung der Pranas und bezeichnet zunächst die Atemtechniken des Yoga, die dem Menschen durch Regulation des Atems eine wachsende Kontrolle seiner Lebensenergien ermöglichen. Auch Disziplinen anderer Kulturen, wie Qi Gong oder Tai Chi, werden auf diesen Grundlagen praktiziert. Im Verständnis der alten Weisen Indiens ist der Mensch eine konzentrierte Form, ein lebendiges Gefäß aller Pranas – aller schöpferischen Energien des Kosmos. Ein für uns unmittelbar erfahrbarer – physischer Ausdruck des Fließens dieser Energien im Körper ist der Atem. Pranayama Übungen bedienen sich des Atems als natürlichem Mechanismus zur Veränderung der dahinter wirkenden Lebensenergien. Sie reinigen das Nervensystem durch Aktivierung und Harmonisierung der zugrundeliegenden Energieströme, was sich in einer wachsenden Harmonie, besseren Assimilation und damit einer höheren Verfügbarkeit der in uns wirkenden Lebensenergien ausdrückt.

Pranas – die subtilen Energien der Natur

In jedem Moment unseres Lebens werden wir, ohne uns dessen bewusst zu sein, von den Energien unserer Natur durchströmt. Unsere gesamte Konstitution, alle Antriebe unseres gewöhnlichen Menschseins werden vom Wirken dieser Energien beeinflusst. Unsere natürliche Oberfläche fühlt sich müde oder energiegeladen, gestresst oder entspannt, freudvoll oder verärgert. Hinter diesen Befindlichkeiten unseres Alltags stehen die Bewegungen und Einflüsse einer subtilen Welt der Pranas: es sind die Pranas unserer nervlich-vitalen Natur, die uns an die Muster und Konditionierungen dieser Natur gebunden halten und die in jedem Moment unsere körperliche, emotionale und geistige Verfassung beeinflussen.

Kontrollierter Umgang mit den Pranas

Die Bedeutung von Pranayama für unseren Lebensalltag ist naheliegend. Atemübungspraxis verändert nicht nur den Zustand unserer Lebensenergien, sie öffnet und sensibilisiert auch unsere Wahrnehmung. Wie wir die subtilen Energieströme in uns zu fühlen beginnen, sind sie nicht mehr verborgene, unbewusste Naturmechanik. Ihr Wirken wird Teil unserer erweiterten Wahrnehmung, ihre Beherrschung zum Feld unserer menschlichen Selbstkultur. Ein gemeisterter Umgang mit den Energien seiner Natur kann den Menschen zunehmend aus Leid und Begrenzung dieser materiellen Natur befreien und ihm höhere und freiere Möglichkeiten erschließen: einen bewussten und harmonischen, freudvollen und schöpferischen Lebensausdruck; ein Menschsein, das den Einflüssen von Leiden und Krankheit, Alter und Tod weniger zwingend ausgesetzt wäre.

Pranayama – Meisterung der Pranas

Was durch mechanische Beeinflussung der natürlichen Energieströme mittels Atemtechnik vorbereitet wurde, findet seine Vollendung auf den höheren Verwirklichungsstufen des Yoga. Wie sich die Wahrnehmung der Praktizierenden auf die Ebenen subtiler Energien ausdehnt, können die Energieströme durch die wachsende Macht der Konzentration beeinflusst werden. Pranayama vollendet sich, wenn die Energien der Natur dem Einfluss des menschlichen Geistes unterstellt sind. Die damit verbundenen übernatürlichen Fähigkeiten werden „Yoga Siddhi“ genannt. Wenn wir die Praxis des Yoga als Mitwirkung an der Evolution unserer Menschennatur verstehen, sind die übernatürlichen Kräfte des Yoga nichts anderes, als die erwachenden Potentiale unseres erwachenden Bewusstseins – schöpferische Instrumente einer kommenden Menschheit…

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