Artikelserie – Grundlagen des Yoga

Teil 4: Asana

(Autor: Fabian Scharsach)

Asanas sind still gehaltene Körperpositionen, die einer wachsenden Kontrolle der Lebensenergien dienen. Die Tantras, die Naturwissenschaften des alten Indien, haben die Natur des Menschen auf der Grundlage einer umfassenden Kosmologie erforscht, die den Körper über seine energetischen Strukturen mit den Zuständen des menschlichen Bewusstseins verbindet. Daraus entstand – mit dem Hatha Yoga – eine Übungstradition, die die Entwicklung des Körpers und der darin wirkenden Lebensenergien zur Ausgangsbasis einer inneren Entwicklung machte. In der Asana sollte der Körper in einer möglichst widerstandsfreien Haltung zur Ruhe kommen, damit sich der Geist auf die Praxis meditativer Techniken konzentrieren konnte. So entstand die meditative Sitzposition – die Mutter aller Asanas. Den frühen Yogatraditionen diente der körpervergessene Zustand der Asana ausschließlich als Grundlage einer ungestörten meditativen Praxis.

Wissenschaft des Körpers

In einer späteren Zeit, als sich der Zeitgeist wieder dem Körper zuwandte, entstand mit dem Hatha Yoga eine Übungstradition, die den Körper zu erforschen und in seinen Möglichkeiten zu entwickeln suchte. Der Körper wurde nicht mehr als Feld der Begrenzungen und Widerstände, sondern als Werkzeug der spirituellen Entwicklung des Menschen betrachtet. So wurden Asanas zu differenzierten Techniken, die das energetische Gefüge des Menschen methodisch beeinflussen konnten. In jeder Asana werden spezifische „Chakras“ (Energiezentren), „Nadis“ (Energiebahnen) und „Vayus“ (Energieströme) aktiviert bzw. reguliert. Die alte Wissenschaft unseres Energiekörpers – seiner Zentren, Kanäle und Ströme – bildet die Grundlage für ein methodisches Einwirken auf unsere vitale und geistige Konstitution.

Praxis und Wirkungen

Asana Praxis braucht viel Zeit und Geduld, weil jede einzelne Körperhaltung meditativ – also still und über einen längeren Zeitraum – gehalten werden sollte, um ihre Tiefenwirkung im Nerven- bzw. Energiesystem des Menschen entfalten zu können. Dabei entwickelt der Körper nicht nur eine höhere Kraft und Geschmeidigkeit, er gewinnt auch eine höhere Sensibilität und subtile Leichtigkeit. Die lange gehaltene Stille des Körpers stabilisiert das nervliche Gefüge des Menschen und befähigt die Hatha Yogins zu einer – letztlich – fast unendlichen Akkumulation von Lebensenergien. Durch die Vielfalt und Methodik der Asanas können diese Energien bewusst in all jene Regionen des Körpers gelenkt werden, wo sie benötigt werden, um die gewünschte Harmonie oder Intensität ihres Wirkens herzustellen. Diese wachsende Harmonie und freiere Verfügbarkeit der Lebensenergien bildet die erste tragende Säule der Hatha Yoga Übungspraxis. Ergänzt und vertieft wird diese Praxis durch Pranayamas, die Atemtechniken des Hatha Yoga. Von Prana und Pranayama wird in den nächsten Teilen dieser Artikelserie die Rede sein.

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